Aktionstheater Donzdorf in Odessa

 

10 Jahre "Theater ohne Grenzen".

Eine Freundschaft zwischen Studiotheater Poesie und Drama aus Odessa und dem Aktionstheater.

 

Aus Anlass "10 Jahre Theater ohne Grenzen" feierten die beiden befreundeten Theatergruppen in Odessa am Schwarzen Meer ihr Jubiläum, um gemeinsam vor der ukrainischen Öffentlichkeit einen Theaterabend zu veranstalten.  Deshalb fuhr eine Delegation mit 11 Spielern des Aktionstheaters mit ihrem Regisseur Gerhart Kraner für 11 Tage nach Odessa zu diesem Kulturaustausch.  Aus gegebenen Anlass hat die Theatergruppe die Farce von A. Tschechow "Das Jubiläum" einstudiert.  Mt der Austria Airlines flog die Theatergruppe von Stuttgart über Wien nach Odessa.  Anschhessend fuhren wir mit einem Bus zu einem ehemaligen Fehenerholungsheim für verdiente Künstler der Sowjetunion nach dem kleinen Vorort von Odessa Lustdorf.  Lustdorf ist eine ehemalige Ortsgründung deutscher schwäbischer Auswanderer zu Zeiten Katharina der Großen am Schwarzen Meer. Dort wurden die Spieler mit einem traditionellen russisch - ukrainischen Bankett herzlich empfangen, so dass alle Scheu vor dem "Fremden" wie weg geblasen war, da und doll begann man gleich mit der Körpersprache oder mit russischer, deutscher und englischer Sprache sich auszutauschen und zu verständigen.
Nach einem erholsamen Tag am Strand des Schwarzen Meeres unternahmen unsere russisch-ukrainischen Freunden mit uns eine Stadtbesichtigung des alten Kerns der Hafenstadt Odessa.  In zwei Museumsbesuchen bekamen wir interessante Einblicke in die Stadtgeschichte von Odessa.  Das Bild der Altstadt wird geprägt durch eine multikulturelle mediterrane Bevölkerung, sodass die Stadt heute eine "italienische und französische" Atmosphäre und Ausstrahlung hat, eine pulsierende, lebendige und interessante Stadt. Überall wird renoviert, internationale Geschäfte eröffnen ihre Läden, Strassenkaffes verführen einen zum Verweilen, Aufbruchstimmung, eine Großstadt, die sowohl traditionell östlich als auch sehr westlich orientiert ist.  Als Besucher der Stadt spürt man den Reiz dieser Millionenstadt, die für uns Ausländer einerseits vertraut aber andererseits aber auch ganz fremd wirkt, eine Begegnung von zwei unterschiedlichen Kulturen, obwohl wir Deutsche und die Odessiter der europäischen Kultur verpflichtet sind.
Die darauf folgenden Tage wurden durch unsere gemeinsame Theaterarbeit geprägt.  Der spannendste Teil unseres Kulturaustausches, unseres Jubiläums be gann, proben, proben, damit unser Anliegen "Theater ohne Grenzen" vor einem theaterinteressierten russisch-ukrainischen Publikum bestehen kann?  Unser russischer Freund, Regisseur Arkady Slovesnik, gab uns deutschen Spielern noch einige wertvolle Tips, um noch deutlicher die russische Mentalität der Figuren des "Jubiläums" von Tschechov zu erfassen und sie dann spielerisch umzusetzen.  Wiederum gab dann Gerhart Kraner unseren russischen Freunden künstlerische Tips in deren Inszenierung, eine dramatische Bearbeitung der Erzählung von Thomas Mann "Florenz".  Ein künstlerischer und spielerischer wertvoller Austausch begann, der dann letztlich zu einem großen Erfolg führte.
Zitat der Odessiter Zeitung "Odesskij Vestnik" (Odessiter Bote): "Zwei völlig unterschiedliche Stücke boten gleichzeitig ein einheitliches Spektakel.  Schauspieler zeigten das Leben und Menschen der höchsten seelischen Anspannung und in Momenten der Kleinkrämerei.  Aber das sind verschiedene Hypostasen eines Sinnes...
Das Stück des deutschen Schriftstellers wurde auf russisch gespielt, aber das "Jubiläum" Tschechovs haben die Schauspieler des Aktiomtheaters in eigener Sprache aufgeführt.  Die Helden sind wie taub - sie hören nur sich selbst, verstehen den anderen nicht.
Zuerst war es sehr gewöhnungsbedürftig, Helden Tchechovs in moderner Kleidung zu sehen, doch dann wurde der Hintergedanke des Regisseurs klar: Sind denn solche Situationen nicht auch charakteristisch für unser Leben?... "
Für unsere russisch - ukrainischen Theaterfreunde und uns Deutsche war dieser
Aufführungsabend ein unvergesslicher Moment unserer künstlerischen Laufbahn, denn unser Anliegen "Theater ohne Grenzen" hatte auch vor einem russischen Publikum stand gehalten, wie vor 9 Jahren in der gemeinsamen Inszenierung "Die Menschen und die Leidenschaften" in Süssen vor
einem deutschen Publikum.  Das Odessiter Publikum dankte den russischen und deutschen Akteuren mit langanhaltenem Beifall.

In vielen Erlebnissen und Gesprächen wurde uns klar, welch ein Geschenk wir Deutsche in Odessa
bekommen hatten, trotz allen schwierigen und entbehrlichen Lebensumständen der ukrainischen
Menschen verwöhnten sie uns mit ihrer herzlichen und außergewöhnlichen Gastfreundschaft.( Das
Durchschnittsgehalt der Menschen in Odessa beträgt im Monat umgerechnet 120,-DM).  Ein Besuch des berühmten Oper- und Baletthauses mit einer Balettaufführung wurde uns ermöglicht, und viele andere kulturelle Ereignisse würzten unseren Odessiter Aufenthalt.

Immer wieder gab es auch heftige Diskussionen über die unterschiedlichen Lebensgewohrtheiten der beiden Kulturen, die nicht gegensätzlicher sein können.  Unsere russischen Freunde sind noch sehr stark geprägt durch hierachische Strukturen der Autoritäten und wir durch individuelle und pluralistische Lebensvorstellung, eine interessante und brisante Mischung.  Ein kreativer Umgang mit diesen Gegensätzen ermöglichte einen Dialog des Austausches nicht nur in künstlerischer Sicht.  Plötzlich spürten wir, daß wir Menschen von einem Planeten sind, die gemeinsam und verantwortlich Grenzen abbauen müssen, um friedlich miteinander zu leben und auszukommen.

Unsere künstlerische Arbeit und unseren zwischenmenschlichen Dialog wollen wir im nächsten Jahr 2001 fortsetzen, denn das Studiotheater Poesie und Drama ist zu unserem 4. Internationalen Amateurtheaterfestival in Donzdorf vom 23. bis 27.  Mai eingeladen.  Gemeinsam wollen wir unsere Inszenierungen dem deutschen Publikum zeigen.