Mit Ida im Reich der Mitte

   oder:

Was sucht das Aktionstheater Donzdorf in China?


- Bericht eines nicht alltäglichen Kulturaustauschs -

von Wolfgang Mettenberger / Gerhart Kraner



Wer am Montag, dem 20. April 2009, früh genug aufgestanden war, der konnte sehen, dass einige Donzdorfer nicht zu Schule, geschweige denn zur Arbeit gingen, sondern letzte Vorbereitungen trafen, ein ganzes Theaterstück in die Koffer zu verteilen, um damit aufzubrechen zum großen Kulturaustausch nach China.


Spätestens seit sich das Land geöffnet hat, herrscht ein reges Interesse an unserer deutschen Kultur, hält man unsere großen Komponisten, Philosophen, Dichter – allen voran Bert Brecht – doch für vollende Meister ihres Faches.
Aber warum ausgerechnet Donzdorf, dieses kleine Städtchen bei Göppingen am Fuße der Schwäbischen Alb gelegen? – Aufmerksame Beobachter wissen jedoch, dass das „Aktionstheater“ und sein Chef, der Künstlerische Leiter des Landesverbands Amateurtheater, Gerhart Kraner, bereits seit einigen Jahren über sein Internationales Theaterfestival Theatergruppen aus vielen Ländern in das kleine „Weltdorf“ auf die Alb holen und es damit für ein paar Tage wenigstens zum Nabel der Theaterwelt machen, zu einem Dreh- und Angelpunkt internationaler Theaterbegegnung; so auch selbst erlebt, als die Gruppe vor einem Jahr mit einem immensen Aufwand und großen Anstrengungen Gruppen aus der Schweiz, aus Tschechien, Russland und eben auch aus Shanghai zu sich eingeladen hatte, was – auch wegen der Sperrigkeit unserer deutschen Behörden – alle Anstrengungen Gerhart Kraners und seiner Spielerinnen und Spieler notwendig machte.

Jetzt also der Dank, die Gegeneinladung nach China, von der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft und ihrem Vorsitzenden, Herrn Dung Wudong, in vorbildlicher Weise vorbereitet und inhaltlich liebevoll gestaltet!
Und da man natürlich nicht nur eines Theaterstückes und eines äußerst spannenden Kulturaustauschs wegen die Strapazen der Vorbereitung (mit einem eigens dafür geschriebenen und eingerichteten Stück, mit Impfungen, Reisepässen, Visa, dem ganzen Schriftwechsel, dem Besuch bei der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft in Karlsruhe, den Reisekosten in Höhe von 1.400 Euro/Nase) auf sich nimmt, war auch ein spannendes kulturelles touristisches Beiprogramm geboten, das uns über Peking, Shanghai, Souzhou, Ningbo bis nach Hangzhou führte, wo das eigentliche Herz der Begegnung, der Kulturaustausch der Theatergruppen, stattfinden sollte! –

Dass alles wie am Schnürchen klappte, dass Vorbereitung, Organisation, Durchführung eines dichten, nie langweiligen, Tradition und Moderne gleichermaßen berücksichtigenden Besichtigungsprogramms bis aufs i-Pünktchen stimmten, das konnte man ja nach diesen perfektesten aller Olympischen Spiele erwarten, dass es aber auch im Kleinen so perfekt und auch menschlich so hinreißend stimmte, freundschaftlich aufgeschlossen, interessiert, geduldig und immer von einem Lächeln begleitet war, das war gerade beim Theater, wo’s ja immer auch mit Improvisation zu tun hat, so perfekt nicht unbedingt zu erwarten...

Schon am Flughafen Peking (nach annähernd 10 Stunden Flug) liebenswürdig in Empfang genommen von Carola und Michael (beide Namen der Einfachheit halber eineuropäisiert), durfte man sich zu Hause fühlen.
Wer dachte, es gehe nun zum Hotel, auspacken, ausruhen, hatte sich getäuscht.
China brummt, China eilt, China ist schnell, China ist wach und laut (24 Std. am Tag)!
Wir also mit bepacktem Bus zunächst zum Essen: Chinesische Reistafel: 7-12 Menü-Gerichte auf einer Drehplatte, für uns auf 2 Tischen. Wir – völlig übermüdet – aber doch da: Hühnchen, Hammel, Schwein, Rind, Gemüse, Suppe, dazu Tee, Cola oder Sprite, Bier... Alles ist gut – alles perfekt – a bisserl lauwarm eben, wegen des langen Wartens auf uns.
Dann weiter in die „Verbotene Stadt“. Wir mit Tausenden von Chinesen (Wo kommen alle diese Menschen her?), dichtestes Treiben und wir mitten drin! Auf den Spuren der alten Kaiser: Jetzt 15. Jhdt., Beginn des in unendlicher Harmonie angelegten architektonischen Meisterwerks. In vollkommener ästhetischer Schönheit präsentieren sich Paläste, Wohn- und Verwaltungsgebäude der Ming- und Quing-Dynastie – voller Harmonie, voller Symbolik (9999 Räume und wie die Gestirne um den Polarstern angeordnet – auf über 720.000 qm angelegt – mit dem Palast in der Mitte. 100.000 Handwerker ließ der Erbauer daran arbeiten, über 1 Mio Zwangsarbeiter. –
Durchs „Tor der Höchsten Harmonie“ treten wir ein, finden Hallen, Pavillons, ein Meer von Steinplatten, die „Halle der Höchsten Harmonie“, die „Thronhalle“: Inneres und Äußeres in so dichtem und lichtem Gefüge, dass das Auge staunt und wir völlig überrascht Nacht und Flug vergessen. –
Carola zieht uns weiter mit ihrer blauen Fahne, Michael (sprich Meikel!) hält uns zusammen und achtet darauf, dass wir im Gedränge keinen verlieren. Wir verlassen die „Verbotene Stadt“ nach 2 Stunden und stehen draußen plötzlich Mao gegenüber oder wie man ihn heute gerne nennt, dem „ehemaligen Vorsitzenden“, der in Übergröße und bis heute verehrt, am südlichen Ausgang das Portal schmückt: viel Polizei dort, Militär (auch in Zivil); die Prachtstraße, über die man in großen Paraden die militärische Präsenz demonstrierte. Und schon sind wir auf dem großen „Tian-an-men-Platz“, dem „Platz des Himmlischen Friedens“, wohl dem größten Platz der Welt, wo Sun Yatsen vor hundert Jahren die Republik ausrief, Mao seinen Sieg über die Nationalisten verkündete und vor wenigen Jahren noch die Panzer auf demonstrierende Studenten schossen...
Wir wieder im Bus, Abendessen: wieder fein vorbereitet und schmackhaft: Wir wieder essend mit Stäbchen, 19.30 h Hotel, Zimmervergabe und Ruhe. –


Freunde, ich kann hier keinen (neuen) Reiseführer schreiben! - - Wir haben eine Theaterzeitung in den Händen! Also Kürze! Also nur noch Stichworte und in der Eile des Tempos des Reiches der Mitte! – „Sommerpalast“, beeindruckend, Menschenmassen auch hier, mit Federbällen Fußballtennis spielende ältere Herrschaften. – Und dann Donzdorf auf dem Weg zur „Großen Mauer“, auf der Fahrt immer wieder wunderbar bereichert von Carola – ihre Einführungen in chinesische Kultur, Sprache, Schrift! – 6000 km soll die Mauer lang sein, das chinesische Wahrzeichen, 6-8 m dick! Wir zu Fuß oder per Seilbahn hoch auf dieses beeindruckende Bollwerk, unten förmlich gejagt von Souvenirhändlern. Ein unvorstellbares Erlebnis am 2. Tag eines grandiosen Abenteuers.
Abends „Peking-Ente“ auch wieder zur großen runden Dreh-Reistafel, auch sie eingebettet in ein Meer von Genüssen, Düften und verlockenden Gaumenfreuden!

Peking hat noch mehr zu bieten. Am 3. Tag wartet (leider bei Regen) der berühmte „Himmelstempel“ auf uns, später ein riesiges Einkaufshaus mit allem, was man kauf- und handelstechnisch erwerben kann oder eine ganze Einkaufsmeile: ganz westlich, beste Weltmarken, riesige Kaufhäuser, Glas und Glanz! Und überall die faszinierenden Menschenmassen. Und alles funktioniert! Faszinierend, wie wir uns auflösen und einfügen und einfinden im Strom. Unendliche Schlangen vor Imbissmeilen: Fische, Fleischspieße, Seesterne, Seeigel, Schnecken, Raupen, Würmer... Carola empfiehlt nur bei stählernem Magen zu essen. Nach dem Abendessen (Reistafel) wir unter Tausenden (man stelle sich das Spielende eines Stuttgarter Heimspiels vor – auf engstem Raum!) auf dem Pekinger Hauptbahnhof: Nachtzug 1. Klasse nach Souzhou im Süden. Liegewagen, zu viert in einem Abteil. Es geht uns wieder gut: chinesischer Wein, deutsches Schwarzbrot, Trockenwürste (aus dem Kraichgau!) und eine Nacht mit wenig Schlaf. Gegen 5 Uhr Wecken, der Versuch seine Morgengeschäfte zu erledigen: Souzhou! 1,5 Mio Einwohner, am Kaiserkanal, dem mit 1.700 km längsten Kanal der Erde, gelegen und etwas 1.300 km südlich Pekings, Wasserstadt an der Seidenstraße, ungeheure Verkehrsdichte! Wir sehen nur neue Autos! – Eindrucksvolle Bootsfahrt auf dem Kanal, dann in einer Seidenmanufaktur, wo manche Geld, andere Nerven, wieder andere Brillen liegen lassen! Alles erfahren wir über die Seidenproduktion: von der Raupe bis zum fertigen Produkt. Führung durch den „Garten des Meisters der Netze“ (ein eindrucksvolles Garten-Juwel in der Altstadt Souzhous, Weltkulturerbe!), Spaziergang durchs alte Souzhou (wie in Venedig, wie in Rüdesheim)...


Anderntags geht’s weiter, nach Shanghai, der mit 20 Mio. Einwohnern drittgrößten Stadt der Welt. Während der Fahrt erzählt Michael von den Unterschieden zwischen Nord und Süd. Herr Ding, unser Shanghai-Führer steigt zu. Wir fahren an uralten Stadtvierteln vorbei, die abgerissen werden (Shanghai trägt 2010 die EXPO aus!), um neuen Hochhäusern Platz zu machen:
Tabula rasa! Die Menschen erhalten 20.000 Euro Entschädigung für ihren Umzug in eine neue 2-Zi-Wohnung an der Peripherie. – Wir erfahren etwas über die internationale Wirtschaftspräsenz in der Stadt, über Bauboom und Verkehrszulassungen und folgen wieder wahnsinnigen Menschenmassen durchs alte Zentrum (Weihnachtsmarktdichte!!). Dort Tee-Zeremonie, Rundfahrt im großen Hafen, Wolkenkratzer-Skyline im ausgehenden Yangtsi-Delta, Perlenmuseum, Produktion und Verkauf. Wir hinauf aufs 350 m hohe Jin-Mao-Observatorium, Blick auf die 3.500 Wolkenkratzer unter uns, alles so seltsam, eigenartig, unbegreiflich, ein Menschenbad umgeben von Beton, Glas und Autos – und in einer ungeheuren Dichte! –
Eindrucksvolles Museum der Geschichte: 2 ½ Stunden vergehen uns im Flug: die Spuren der Vergangenheit: Persien, Alexander der Große, Rom, Indien bis zu den Engländern, Franzosen, Amerikanern, Japanern und Deutschen: Münzen, Malerei, die uns in ihrer Schlichtheit und Zartheit fasziniert, Skulpturen, Keramik, Jade Schmuck... später die Nanjing Road, brummend vor Menschen, Sonntag, brummend vor Geschäftstreiben, Rolltreppe auf, Rolltreppe ab, Essen im Thai-Restaurant (Herr Ding nennt es „Minderheiten-Restaurant“) mit 300-400 weiteren Gästen. Es klappt wie am Schnürchen!


Stop! - - Wir vergessen ganz, weswegen wir eigentlich nach China kamen! – Der Kulturaustausch rückt in den Vordergrund. Noch einmal hält uns ein kleiner touristischer Leckerbissen auf: Wuzhen, die Wasserstadt mit 50.000 Einwohner und einer tausendjährigen Geschichte, alles an einem dichten Kanalnetz liegend. Erkundung per Kahn! Wieder sind wir nicht die einzigen! Unzählige Menschenströme zu Wasser, zu Fuß, auf Brücken, in Museums-Häusern, Verkaufsbuden wie überall (und alles auf einem einzigen Quadratkilometer! – Junge Chinesinnen, die sich mit uns „Langnasen“ fotografieren lassen, Thea Kraners schmerzhaftes Stolpern, ihr Sturz, die hilfsbereiten, mitfühlenden Chinesinnen, ihr kurzer Krankenhausaufenthalt. Gott sei Dank ist nichts gebrochen! Unsere Weiterfahrt nach Hangzhou, Abschied von Michael, Begrüßung durch Herrn Dung Wudong von der Deutsch-Chinesischen Gesellschaft und durch die Theaterleute der professionellen „Yu-Opera-Troupe“. - Großes Empfangs-Abendessen für die Donzdorfer, erste liebenswürdige Reden, erster Austausch von Gastgeschenken und ein „Ex-Trinken“: „Gan bei!“ – Schließlich Fahrt nach Ningbo, Millionenstadt, südliche Shanghais gelegen am Chinesischen Meer, wo anderntags die Kraner-Truppe ihr Stück aufführen wird! –

Am andern Abend sehe ich die Donzdorfer Wein kaufen – in größeren Mengen! – Es muss also ein fulminanter Theaterabend gewesen sein! - Und dabei fing’s gar nicht so gut an – in diesem Riesentheater, das selbst im „kleinen Haus“ hiesige Stadttheatergröße aufweist! – Ich nehme Gerhart Kraners Aufregung wahr: Und tatsächlich, zum ersten Mal seit einer guten Woche läuft’s organisatorisch nicht rund! Stau! Und das auf ganzer Linie! – Keine verantwortlichen Haustechniker! Gott sei Dank bewahren Gerharts Techniker Falko Rieger und Florian Wascher die Nerven. Beleuchtungstechnisches Desaster. Was man morgens einrichtete, ging nachmittags schon nicht mehr! Bürokratismus um eine Schere.. Gerhart kurz vor der Aufgabe. Es hilft nur noch: „Augen zu und durch!“ Um 17.30 h schließlich erster Probendurchlauf. Das holpert noch! Präsenz und Spannung sind im Dickicht der Theatermaschinerie etwas verloren gegangen, 18.30h Schlussbesprechung, 19.00 Uhr – die ersten Zuschauer (meist Germanistik-Studentinnen mit ihren Freunden) betreten das Theater, wir zählen 75 Zuschauer, die dem großen Transparent und den ansprechenden Handzetteln gefolgt sind.


Das Stück läuft an – von Heinz Webers beeindruckender Musik und Sound-Kulisse meisterhaft gefügt zu einem bizarren tragenden Ton anschwellend, auf dem sich Schräges und weniger Schräges, Abstraktes, Harmonisches, Rhythmisches mit Naturhaftem paart und wegträgt, die Bilder unterstützend, sie tragend. Und davor: „Idas Werden“ – Ida-Sabrina Falzone, das Kind, das hineinwächst in die Welt der Erwachsenen, sinnbildlich statisch und bleiern-erdschwer gefasst von Gertrud Werner im Rollstuhl mit Neutral-Maske. – Dabei wird Ida immer wieder gestützt und chorisch getragen von Ingrid Pfeiffer und Marion Wohlfahrt, die Idas Bilder aufgreifen und in den Raum hinein vergrößern – ebenso wie Winfried Siegels Verstärkung von Raphael Wohlfahrts „roter Versuchung“, Herausforderung, koboldhafter Verführung des Lebens, der seinen Part auch körpersprachlich ungemein rhythmisch und mit tragender Präsenz einsetzt: wuchtig und in Teilen auch lyrisch! –


Mich entzückt Idas Spiel: ganz und gar kreatürlich, wachsend, neugierig, kindlich-unschuldig, ohne Falsch in die Welt der Erwachsenen vordringend, dem die Erwachsenen in Form von Desinteresse, Abstand, Kälte und Gleichgültigkeit entgegentreten: schöne Raumbilder, dichte Kompositionen, gelungene Schauspieler-Führung im Raum, lieb auch eingeleitet und abgerundet von der Bühnenatmosphäre der Realität, die Dieter Biskup und Winfried Siegel augenzwinkernd im „Blauen“ beisteuern. –
Ein gelungener Theaterabend also in Ningbo, den die Zuschauerinnen mit vielen Fragen abschließend als äußerst interessant kommentieren. –
Draußen wartet der Bus. Wir zum Essen. Manfred Maier vom „Theater im Bahnhof“ Dielheim bedankt sich im Hotel mit einem Hesse-Gedicht, „Heute“, und überreicht den verdutzten Donzdorfern das große „Ida-Transparent“, das er sich von den Bühnen-Arbeitern draußen erbat.

Letzte Visite: Hangzhou steht auf dem Programm, der Höhepunkt unseres Theater-Kulturaustauschs. Wir fahren durch die fruchtbarste Gegend Chinas, seit Tagen wieder von schönstem Wetter begleitet: 28 Grad. Schöne Städtchen fliegen an uns vorbei, Äcker, Reisfelder, Weinberge (!), Tee-Plantagen, schöne und schönste Häuser. – Wieder dichtes Verkehrstreiben. Man überholt rechts, links, in der Mitte: egal: es funktioniert! –

Nach 90 min. erreichen wir Hangzhou, die 8 Mio. Stadt, wunderschön und auch in ihrem Zentrum international, europäisch, amerikanisch anmutend, sauber, teure Läden, Blumenschmuck (auch wie in Shanghai die Balkon-Blumenkästen kilometerlang an den Autobahn-Auffahrten!), Alleen, Platanen... Wir im Honglu-Hotel direkt am Hauptbahnhof, permanentes Verkehrschaos durch Baustelle. Wir noch einmal als Touristen: Bootsfahrt auf dem See der Stadt, Menschen über Menschen, die uns Garling und Zhou (unsere offiziellen Begleiter) als „gar nicht so viele“ erklären.
Später dann eine große China-Folklore-Show: perfekt vor vollem Haus: Akrobatik, Ballett, Tanz, Kampf-Zirkus, fliegende Menschen überm Publikum, schwebende Wolkenteppiche mit 100 Mitwirkenden und laut! –
Dann unser letzter Tag in China: Bewaffnet mit unseren Mitbringseln (guter Wein aus Europa – soweit er den langen Weg überlebte!! – Bücher, eine Einladung des Donzdorfer Bürgermeisters zum Festival 2010 nach Donzdorf) – wir also auf dem Weg zum offiziellen Empfang bei der „Yu-Opera-Troupe“. –
Der Bürgermeister für Sport, Kultur, Jugend, leger gekleidet, jugendlich frisch, begrüßt uns, die Präsidentin der „Yu-Opera-Troupe“ strahlend, Herr Wudong als Dolmetscher, Gerhart Kraner mit guter Rede, Wein wird überreicht, die Einladung für 2010 ausgesprochen. –


Wir gehen zum „Kulturaustausch“ in einen großen Ballett-Proberaum. Beim Eintreffen applaudieren die anwesenden Schauspielerinnen (es handelt sich um ein reines – klassisches Frauentheater-Ensemble!), wir bekommen klassisches chinesisches Theater vorgeführt: Musik live, feine Kostümierung, Maske: alles klassisch und in formvollendeter Kunst dargeboten in 3 Szenen: schwebend auf Koturnen, fliegende Seidenschals, Anmut und Grazie bis in die Fingerspitzen, verspielt, etwas kokett manchmal und wie von einer andern Welt: und das war es freilich auch – und höchst professionell! –


Nach dieser halben Stunde sollten auch wir Deutschen ran: unvorbereitet! – Ich gebe meinen „Wallensteins Tod“ (als Ein-Mann-Theater!), Manfred Maier - noch einmal wunderbar interpretiert - sein Hesse-Gedicht, die Kraner-Truppe zeigt einen Einblick in die Aufwärm-Arbeit des Aktionstheaters. Man ist begeistert, Reden werden gehalten, der Gegenbesuch fürs kommende Jahr angesprochen, unzählige Fragen gestellt (zum deutschen professionellen Theater, zum literarischen Theater, zu Brecht! – Unsere Idee, die Truppe im kommenden Jahr auch den Stadttheatern anzubieten und rechtzeitig Kontakt aufzunehmen! - Dieter Biskups wunderbare Schlussworte! -Wein wird überreicht, mein neues Theaterbuch „Lasst mich den Löwen auch spielen!“
Und zur Überraschung aller hatten die Donzdorfer auch für alle Schauspielerinnen ein Fläschchen Wein in die Mitte des Raumes platziert. Eine wunderschöne Idee und ein fröhliches Wettrennen! – Ein schöner, herzlicher, ganz und gar ehrlicher Empfang voller Liebenswürdigkeiten, Gastfreundschaft und Freude; ein leichter, schwebender Teppich, der trug! –

Aber langsam machte sich bei den Donzdorfern auch wieder Nervosität breit. Sie hatten ja noch ihre Abendveranstaltung vor sich. –


Staunend stehen wir nach dem Mittagessen wieder vor einem dieser riesigen Theaterprachtbauten – in einem ganz und gar neuen, großzügig angelegten Stadtteil gelegen: Gärten, Parks, Hochhäuser, Skulpturen, polierte Wege, Wasser... in einer feinen Harmonie um das Theater herum. Wir staunen wieder. – Drinnen indes wieder viel Ratlosigkeit bezüglich der Technik. – Aber es funktioniert, Festival-Charakter eben und Improvisation für die beiden Donzdorfer Techniker!
Die Aufführung ist äußerst gut besucht: die Schauspielerinnen des Vormittags, Germanistik-Studenten, Schauspielschüler, etwa 500 Besucher im Kleinen Haus des Theaters: Fachpublikum! – Abschließend viel Beifall, viele Blumen, unzählige Fotos und auf der Bühne die Donzdorfer im Sperrfeuer von Fragen: zu ihrem Theaterstil, der rasch zu einem deutschen Theaterstil hochstilisiert wird (es gibt ja auch keinen Vergleich!). Leider ist unser Dolmetscher Zhou der Übersetzung nicht ganz Herr. Aber man liebt uns, hat Hoffnungen, sieht dem Austausch der Kulturen in der Zukunft mit großer Erwartung entgegen... (Wenn wir sie halbwegs erfüllen könnten!)
Schließlich zu einem gemeinsamen Abendessen. Dort noch viele gezielt gute Fragen von Hiaoling, der stellvertretenden Leiterin der Yu-Opera-Troupe: zum Repertoire der Donzdorfer, zum regelmäßigen Spielplan, zum Geld... (Hat da vielleicht doch jemand von den Gastgebern bemerkt, dass es sich bei den Gästen „nur“ um Amateure handelt? - Ist da die sprichwörtliche chinesische Zurückhaltung mit einer Frage zum Kern des beabsichtigten Kulturaustauschs vorgedrungen?)– Wir wissen, dass der Gegenbesuch ohne Mittel und Mitwirkung auch professioneller Bühnen kaum gestemmt werden kann. Aber gemeinsam finden wir Wege! - -

Abschied von China! Eine großartige Theaterfahrt geht zu Ende. Bereichert, froh und glücklich lassen wir den langen Tag in der Hotel-Lobby ausklingen. Wir sind glücklich und stolz, zufrieden, dass das Theater es geschafft hat, Menschen unterschiedlicher Kulturen und Denkweisen in dieser einen Welt zusammenzuführen! –


Es ist das Theater, das die Plattform liefert, und es ist der Mensch, um den es sich letztlich immer dreht!